Der Mittwochabend startet um kurz nach 19 Uhr mit „Get ready for love“. Und wohl selten gibt es so viel Liebe von der Bühne herunter: Nick Cave sucht engen ...
Den neuen Song „Carnage“ widmet er der Stadt und erzählt danach, dass er „The Mercy Seat“ damals in den 1980ern der Dresdener Straße in Kreuzberg geschrieben hat. „Dieser Song ist für die Kinder”, kündigt er „O Children“ an. Sie ist gut. Sie ist sehr scheu und mag es gar nicht, wenn die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet wird.“ Und dann wendet er sich an seinen alten Wegbegleiter Warren Ellis. „Das ist Warren, er ist in keiner Hinsicht neu.“ Bei „City of Refuge“ greift er zur Mundharmonika. „Habe ich im Lockdown gelernt“, so Cave. Die Stadt hat mir viel gegeben“, sagt er.
Nick Cave ist beim Konzert in der Berliner Waldbühne nur selten bei seiner Band, den Bad Seeds. Lieber ist er auf dem Laufsteg vor der Bühne. ganz nah beim ...
Gut 20 Songs aus ihrer fast 40-jährigen Karriere spielen Nick Cave und seine Bad Seeds - und zu keinem Moment lässt die Spannung nach. In seinen Liedern ist Cave der große Geschichtenerzähler: Immer wieder geht es um Liebe und Schmerz, Verlust und Erlösung. Zwischen den Songs hat er dagegen beim Konzert kaum etwas zu sagen. Von Anfang an sucht Nick Cave an diesem Mittwochabend in der Berliner Waldbühne die Nähe zum Publikum. Auf der großen Bühne ist er nur selten - bei seinen Bad Seeds, beim dreiköpfigen Gospelchor und bei seinem Flügel. Nick Cave ist lieber auf einem langen, schmalen Laufsteg unterwegs, direkt vor der Bühne, direkt bei den Fans. Er schüttelt Hände, wirft sich in die Menge und verteilt Umarmungen.
Der Australier hat einst in Kreuzberg gelebt und kommt jetzt regelmäßig in die Waldbühne. Beim Konzert am Mittwochabend zeigte er oft auf sein Herz und ...
Aber im Grunde, das sagte Nick Cave selbst einmal, geht es um Ideen, die einen belügen. Vielleicht ist es auch einfach ein Song, den man noch auf dem gesamten Heimweg nicht aus dem Kopf gehen lassen möchte. Auf Englisch benutzt er die Worte „fucked up“ und gleich dahinter noch unübersetzbarer: „Berlin is beautifully fucked up.“ Trotzdem widme er das folgende Lied Berlin: „Carnage“. Es ist das Titellied des neuen Albums vom letzten Jahr. Im Refrain heißt es: „Es ist nur Liebe/ mit ein klein bisschen Regen/ und ich hoffe, ich seh dich wieder.“ Auf Englisch reimt es sich. Cave kommt regelmäßig, war erst kurz vor der Pandemie im Jahr 2018 in der Waldbühne und auch heute wieder in der ausverkauften 22.000 Menschen fassenden Freiluftbühne. Am Ende wird er ankündigen, wieder demnächst hier aufzutreten. Er sagt, sei gern hier in der Stadt. „Berlin hat mir viel gegeben.“ Er sagt, die Stadt sehe aber auch schlecht aus. Die Türen öffnen sich 16.30 Uhr, und weil „Freie Platzwahl“ auf den Karten (83,50 Euro) steht, können die Fans bis an die Bühne heran. Nick Cave zeigt auf die oberen Ränge der Waldbühne, als ob er diesen Song auch gerade für sie singe.
Eine Übung in Demut mit vielen emotionalen Momenten: Das Konzert von Nick Cave und seinen Bad Seeds in der Berliner Waldbühne.
Cave nutzt das für sein Spiel mit den knapp 21.000 Menschen in der ausverkauften Waldbühne. So bricht er die allgemeine Andacht, wenn er sich in die Stille am Ende von "I Need You" hinein genussvoll am Mikro räuspert. Wenn er bei "Ghosteen Speaks", am Ende des ersten von zwei Zugabenblöcken, dazu animiert, die Arme zu heben, dann recken sie diese Arme auch noch im obersten Rang nach oben. Nicht nur auf der Bühne wirkt Ellis neben Cave wie das zweite Epizentrum. In den vergangenen 15 Jahren ist er zum wichtigsten Partner des Sängers avanciert. Das Publikum, größtenteils Mitte dreißig bis Mitte fünfzig, lässt die aktuellen Songs mit freundlicher Zurückhaltung vorüberziehen. Emotionaler reagiert es auf alte Balladen wie "The Ship Song" von 1990. Schon einen Song zuvor, bei "Bright Horses", bricht dem Sänger die Stimme. Wird er übermannt von seinen Emotionen? Es wäre kein Wunder, angesichts der erschütternd leuchtenden Gesangskaskaden, die Musiker Warren Ellis zum Stück von 2019 beisteuert. In Berlin spricht er diese Widmung zwar nicht aus, trotzdem schnürt es einem die Kehle zu, als er den Song allein am Flügel spielt. Juni widmet er "I Need You" seinen verbliebenen Söhnen, Luke und Earl. Knapp zwei Stunden sind am Mittwoch rum, und die Emotionen in voller Wallung. Da lehnt sich Nick Cave ins Publikum. Dem Fan, der ihn hält, sagt er noch: "Du bist doch ein großer Junge, oder?" Im Jahr davor war sein Sohn Arthur im Alter von 15 Jahren verunglückt, und Cave nutzte seine Musik, um den Verlust zu verarbeiten. So viel Energie in ihm, die raus muss, auch mit 64 Jahren. Nick Cave ist eine wandelnde Sampling-Maschine. Immer wieder brechen Textfragmente aus ihm heraus und in andere Stücke herein. Endlich die Berührung, und was singt er dazu mantraartig?
Seine Auftritte gleichen Gottesdiensten; sein Habitus dem eines Predigers. Heute Abend bespielt Nick Cave mit seiner Band The Bad Seeds die Berliner ...
Taschen oder Rücksäcke sind bis zur DIN-A4-Größe erlaubt. Berliner Musikliebhabern dürfte bekannt sein, dass Parkplätze im Umfeld der Freilichtbühne rar gesät sind. Empfehlenswert ist jedoch die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Von den Haltestelle Pichelsberg (S3) und Olympiastadion (U2/S3/S5/S7/S9) gelangt man gut zu Fuß bis zum Haupteingang. Mit dem Bus kommt man dem Amphitheater in Westend auf den Linien M49 (Haltestelle Ragniter Allee) und 218 (Scholzplatz) am nächsten.
Nick Cave war mal wieder in Berlin: Drei Jahre nach der intimen Solo-Show im Admiralspalast diesmal mit voller Kapelle und vor etwa 20.000 Zuschauern in der ...
Nick Cave und seine Band The Bad Seeds spielen in der Berliner Waldbühne ein berückend schönes Konzert voller Liebe und Obszönitäten.
Im Grunde hat er schon vor dreißig Jahren begonnen, es mit dem Ende von allem aufzunehmen, es ist das Thema seines Werks. Wie heißt es im großen „The Mercy Seat“: Auge um Auge und Zahn um Zahn, ich habe jedenfalls die Wahrheit gesagt, und ich habe keine Angst zu sterben. Die Klänge, die er gleich welchem Gerät entlockt, sind auch für Atheisten zum Niederknien. Ein Höhepunkt, für den allein die Pilgerfahrt gelohnt hat: der „Higgs Boson Blues“ von dem Jahrhundertalbum „ Push the Sky Away“. Gleiches gilt für den Song „Jubilee Street“, an gleicher Stelle nachzuhören. Die internationale Presse hat vor wenigen Wochen den Tod von Caves erstgeborenem Sohn verkündet. Ein anderer war vor ein paar Jahren tragisch von einer Klippe in Caves Wahlheimat Brighton gestürzt. An diesem Abend verliert der Sänger keine Worte darüber. Was sollte er auch sagen? Gefolgt von „All night long“. Es ist zwar nicht das richtige Wetter für Albträume, aber dafür ist Nick Cave eben ein Weltstar, dass er es notfalls auch mit der Sonne aufnehmen kann. „Boom, boom, boom“, ruft er und pocht auch schon mal in gestischer Wiederholung mit dem Mikro dreimal gegen die eigene Brust. Dort drinnen, will er sagen, schlägt ein glühendes Herz. „Cry, cry, cry“, fügt er üblicherweise hinzu, mehrmals an diesem schönen Sommerabend, egal, welchen Song er gerade singt. Man kann nicht umhin, ihn einen Schmerzensmann zu nennen, sosehr es auch in den Fingern, die diese Buchstaben tippen, selber schmerzt, weil es meistens ein in der Übertreibung nichtssagendes Wörtchen ist – bei Cave aber hundertprozentig zutrifft.
"Berlin is beautifully fucked up" sagte Nick Cave am gestrigen Mittwochabend lakonisch zu seiner einstigen Wahlheimat, in der mittlerweile Heldenstatus.
„Bright Horses“ bietet Gelegenheit zum Durchatmen, aus „I Need You“ spricht der Schmerz, der Nick Cave nach dem Tod seines Sohnes Arthur an den Rand der künstlerischen Kapitulation brachte. „Get Ready For Love“ die Aufforderung, die der drahtige Mann zu Beginn ins Mikrofon schreit, als wäre er nicht gerade erst durch den Tod seines Sohnes Jethro mit einem weiteren Schicksalsschlag konfrontiert. Mit Hilfe von Warren Ellis nimmt er den Faden wieder auf, ist nun nur mit ihm und den Background-Sänger*innen bei diesem Stück, danach auch für „Waiting For You“ und „Carnage“, dem Titeltrack vom gemeinsamen „ Lockdown-Album“, allein auf der Bühne.