Deutschland ist stark von Russlands Gas abhängig — zu stark, sagt Energiewirtschaftsexpertin Claudia Kemfert im Interview mit BR24.
In Deutschland diskutiert man seit über 40 Jahren über den Bau eines Flüssiggas-Terminals und hat sich dagegen entschieden. Am aller schlimmsten wäre in der Tat, dass man die Heizung runterdrehen muss. Wir müssen mehr auf energetische Sanierung bei Gebäuden setzen, erneuerbare Energien ausbauen – all das hat man in den Wind geschlagen. Man wusste, dass Russland kein Gas mehr liefern könnte, aber man hat das immer als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt. Aus diesem Grund hat man sich auch schlecht drauf vorbereitet: Gerade Deutschland hat eine Strategie gefahren, die uns jetzt in diese Schwierigkeiten reinmanövriert hat – tatsächlich auch mit Absicht. Es war vielleicht dann auch der letzte. Kemfert: Deutschland hat anders als andere europäische Länder, nicht auf eine Diversifikation der Gasbezüge gesetzt. Possoch: Wenn uns in Deutschland tatsächlich das Gas ausgehen würde, was würde dann passieren? Kemfert: Leider haben wir in Deutschland keine strategische Gasreserve. Das fordern wir schon seit Ewigkeiten, sodass wir für zumindest 90 Tage abgepuffert wären. Also ähnlich wie wir es bei der Ölversorgung auch machen. Es gibt aber Szenarien, wie man dann vorgehen würde: Das betrifft in erster Linie die Industrie, bei der dann runtergefahren wird. Der Konflikt in der Ostukraine hat gezeigt, dass Russland Gaslieferungen auch politisch einsetzten kann. Und da muss man jetzt sehen, wie sich die Situation weiterentwickelt. Wir hoffen nicht, dass es so kommt – das wäre tatsächlich das Worst-Case-Szenario. Allerdings begleiten wir diese Thematik schon seit mehr als 15 Jahren. Das ist ja nicht die erste Gaskrise, vor der wir stehen.